Im bayerischen Aschaffenburg gehen monatlich 2.000 Menschen auf die Straße. Aus Corona-Protesten sind Proteste gegen die Grünen geworden.

Die Nachricht wirkt aus der Zeit gefallen wie eine FFP2-Maske, die man in der Tasche eines lange nicht getragenen Kleidungsstücks findet. In Aschaffenburg, einer Stadt mit 70.000 Einwohner:innen, bringt die Querdenken-Bewegung einmal im Monat rund 2.000 Menschen auf die Straße.

Um Corona geht es dabei nur noch am Rande, stattdessen findet die Bewegung für ihren Protest immer neue Anlässe und legt dabei eine beachtliche inhaltliche Wandelbarkeit an den Tag. Doch die Umstände bleiben dieselben: Die De­mons­tran­t:in­nen legen die Innenstadt lahm, verbreiten krude Botschaften und haben keine Berührungsängste mit Rechtsextremen. Wie rechte Raumergreifung funktioniert, lässt sich in Aschaffenburg beispielhaft beobachten.

Was ist da also los? An diesem heißen Sonntagnachmittag Ende August vor allem eins: ohrenbetäubender Lärm. Trommeln, Hupen, Motorengeräusche, scheppernde Megafone, Schlagermusik aus Lautsprechern. Es ist Demonstra­tions­tag in Aschaffenburg, über Stunden zieht der Zug in einem Kreis durch die Innenstadt.

Die meisten Teil­neh­me­r:in­nen sind ausgesprochen durchschnittlich aussehende Menschen, sehr viele von ihnen Rentner und Rentnerinnen. Manche aus Aschaffenburg, viele aus der Region und einige auch von weiter weg angereist. Manche durchaus freundlich. Alle offenbar völlig ohne Bedenken, mit Neonazis gemeinsam zu demonstrieren. Vorneweg und zwischendurch die Trommelgruppen, ganz hinten ein Korso aus unablässig hupenden Traktoren.

Am Anfang gibt es eine Durchsage, „Extremisten und Radikale“ seien nicht willkommen, was keinerlei praktische Konsequenzen hat. Einige De­mons­tran­t:in­nen treten offen als Neonazis auf: Eine Gruppe trägt das Banner der NPD-Nachfolgepartei Die Heimat, es gibt Tätowierungen mit dem Symbol der Schwarzen Sonne, das bei Rechtsextremen beliebt ist. Und wer sich auskennt, so wie zwei Mitglieder des Aschaffenburger Bündnis gegen Rechts, die die Demonstration vom Rand aus beobachten, erkennt die Gesichter altgedienter NPD-Kader aus der Region.

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Neonazis auf seiner Demonstration? „Wir haben keine Rechtsgrundlage dafür, irgendjemanden auszuschließen.“ Das größte Problem für seine Bewegung? „Ganz klar die Antifa, die mit dem Stadtrat zusammenarbeitet.“

Klimawandel? Er sei kein Fachmann, aber: „Das Klima hat sich schon immer verändert.“ Heute regten sich die Menschen über Temperaturen von 33 Grad auf, in seiner Kindheit habe es diese „von Mai bis Oktober“ gegeben. Zwei Sätze später erzählt Stenger, man habe hier in der Region früher Ski fahren können – das sei nun nicht mehr möglich, komme aber sicher wieder.

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Im Juni 2022 veröffentlicht Birgit Schmidt auf Facebook ein Video, in dem sie Lingen eine „paranoide Psychose“ unterstellt, und ihre Follower fragt, was man mit so einer machen solle. Lingen entscheidet sich nun doch, Strafanzeige zu erstatten. In der Folge bekommt auch die Kanzlei ihres Bruders Mails von Schmidt, in denen diese unter anderem droht, dass Lingen „in den Fokus der maßnahmenkritischen Szene rückt und sich eine Stimmung mit eigener Dynamik, auf die ich keinen Einfluss habe, entwickelt“.

Lingen ist eine wortgewandte, selbstbewusste Frau, aber man merkt, dass die Situation nicht spurlos an ihr vorübergeht. „Natürlich macht das etwas mit einem“, sagt sie. Einerseits, das wird im Gespräch deutlich, ist es ihr dadurch noch wichtiger geworden, sich gegen die rechte Szene in der Stadt zu positionieren. Andererseits gebe es jetzt Restaurants in Aschaffenburg, die sie meide, weil sie weiß, dass sich dort Quer­den­ke­r:in­nen treffen. Im letzten Sommer verzichtete sie zum ersten Mal in vielen Jahren auf den Besuch des Stadtfests.

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Im September sollen in Aschaffenburg gleich zwei rechte Demonstrationen stattfinden, einmal erneut zum „Grünen Wahnsinn“, einmal zum Thema Familie. Eine Zwischenbilanz der rechten Raumergreifung wird sich im Oktober ziehen lassen. Dann wird in Bayern und Hessen gewählt, und das AfD-Ergebnis im Raum Aschaffenburg könnte einen Hinweis darauf geben, ob die rechte Stimmungsmache hier Früchte trägt.