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    5 months ago

    Ich gendere im Alltag in der Regel nicht. Wir haben in unserer Gesellschaft noch immer ziemlich viel Diskriminierung aus den verschiedensten Gründen: Nationalität, Ethnie, familiäre Herkunft, Alter, Aussehen, Vermögen, Intelligenz (auch das kann sich niemand aussuchen!) - um nur ein paar zu nennen.

    Das soziale Geschlecht ist aus meiner Sicht nur einer von sehr vielen Diskriminierungsgründen. Und noch dazu einer, wo sich in den letzten Jahrzehnten schon verdammt viel zum guten geändert hat. Ja, es ist nicht von heute auf morgen gelöst aber ich glaube, die Vorbehalte gegenüber Frauen oder Angehörigen der LGBTQ-Szene werden von Generation zu Generation signifikant weniger. Natürlich ist es schwer Unrecht gegen Unrecht abzuwägen, aber gegenüber der Diskriminierung von (ehemaligen) Ausländern oder sozial schwachen Familien, sehe ich Gendergerechtigkeit aktuell eher als nachrangiges Problem. Nicht nachrangig im Sinne von “wir sind am Ziel und brauchen nichts mehr tun” aber eben auch nicht so zentral, dass man speziell dieser Form der Diskriminierung mit einer Sprachreform begegnen müsste.

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      5 months ago

      Ich verstehe deine Argumentation nicht.
      Du springst von „Ich gendere im Alltag in der Regel nicht“ (btw, doch, tust du. Es sei denn, du nutzt entgenderte Sprache) zu einer Sprachreform. Irgendwie sehe ich den Zusammenhang nicht, denn du sagst ja auch nicht, dass du nur gendern würdest, wenn es eine Reform gäbe.

      Deine Begründung kann ich auch nicht ganz nachvollziehen, wenn sie sich auf den persönlichen Gebrauch bezieht. Es ist ja kein großer Aufwand, den man rechtfertigen müsste.

      • rbn
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        5 months ago

        Ich gendere teilweise schon. Entweder mit der expliziten Nennung der weiblichen und männlichen Form oder häufiger gänzliches Vermeiden der entsprechenden Worte. Nicht, weil ich andere Gender-Identitäten ausgrenzen will, sondern einfach weil ich es stilistisch schöner finde als den Glottisschlag.

        Mein Hauptargument gegen Gendern ist, dass ich es einfach als sehr willkürliche Maßnahme empfinde. Wenn es unzählige Ursachen für Diskriminierung gibt, was gibt gerade der Diskriminierung aufgrund von Gender so eine herausragende Bedeutung?

        Ein gängiges Argument für Gendern ist, dass Menschen bei Verwendung des generischen Maskulins zumeist nur an Männer denken. Ich würde entgegnen, dass wir generell in Stereotypen denken. Wenn uns im Leben zumeist männliche Ärzte begegnen, so ist dies auch unsere erste Assoziation. Ebenso denken aber die wenigsten beim Wort “Arzt” an einen Menschen, der im Rollstuhl sitzt oder eine Burka trägt. Wieso sollten wir jetzt der Diskriminierung aufgrund des Genders mit einer neuen Sprache begegnen, nicht aber der Herkunft o.ä.? Wir könnten ja auch ArztINT sagen, um auszudrücken dass medizinisches Fachpersonal INTernationaler Herkunft und nicht nur urdeutsch und weiß sein kann. Oder ArztARM, weil es auch ohne reiche Akademikereltern geht. Oder wir könnten ArztSCHRÄNK sagen um herauszustellen, dass man auch mit körperlichen EinSCHRÄNKungen Karriere machen kann.

        Ich denke, wir sind, was Geschlechtergerechtigkeit angeht, schon auf einem ganz guten Weg. Im Vergleich zur letzten oder vorletzten Generation haben wir heutzutage schon so viele Fortschritte gemacht und ich sehe eigentlich auch nicht, dass diese Entwicklung an Fahrt verliert. Wir sollten die Anstrengungen aufrecht erhalten und auch auf möglichst viele andere Bereiche vom Diskriminierung ausweiten. Eine Anpassung der Sprache braucht es dazu meiner Meinung nach nicht.

        • CyberEgg@discuss.tchncs.de
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          5 months ago

          Naja, auch ein gegnerisches Maskulinum ist schon Gendern. Gendersensible Sprache ist auch keine willkürliche Maßnahme, sondern hat einen sehr gezielten Ansatz, den du sicher schon gehört hast. „Sprache schafft Bewusstsein,“ dahinter steht eben der Gedanke, dass sprachliche Inklusion anderer Geschlechter diese sichtbar macht. Das ist alles andere als willkürlich.

          Ich würde entgegnen, dass wir generell in Stereotypen denken. Wenn uns im Leben zumeist männliche Ärzte begegnen, so ist dies auch unsere erste Assoziation. Ebenso denken aber die wenigsten beim Wort “Arzt” an einen Menschen, der im Rollstuhl sitzt oder eine Burka trägt. Wieso sollten wir jetzt der Diskriminierung aufgrund des Genders mit einer neuen Sprache begegnen, nicht aber der Herkunft o.ä.?

          Weil wir keine herkunfts-, religions- oder rollstuhlanzeigende Wortendungen haben. Gender ist die einzige Eigendschaft, die wir in Personenbezeichnungen einfließen lassen.

          Ich denke, wir sind, was Geschlechtergerechtigkeit angeht, schon auf einem ganz guten Weg. Im Vergleich zur letzten oder vorletzten Generation haben wir heutzutage schon so viele Fortschritte gemacht und ich sehe eigentlich auch nicht, dass diese Entwicklung an Fahrt verliert. Wir sollten die Anstrengungen aufrecht erhalten und auch auf möglichst viele andere Bereiche vom Diskriminierung ausweiten. Eine Anpassung der Sprache braucht es dazu meiner Meinung nach nicht.

          Ich würde nicht sagen, dass wir auf einem guten Weg sind, nur weil schon ein Stück des Weges gegangen sind. Es geht hier immer noch um mehr als 50% der Bevölkerung, die nicht die gleichen Rechte und Chancen haben wie ein cis Mann mit vergleichbaren Lebensumständen.
          Und wie sollte man es nicht als „an Fahrt verlieren bezeichnen, wenn man eine Maßnahme von so geringem persönlichen Aufwand wie gendergerechte Sprache ablehnt, zumal sie doch im Verhältnis zum Aufwand sehr viel zu bringen scheint?

          Klar haben wir noch viel mehr Baustellen, aber die muss man nicht vernachlässigen, weil man darauf achtet, wie man gendert.
          Und ehrlich gesagt geht mir das Ausspielen verschiedener Diskriminierungsformen gegeneinander und der darin enthaltend Whataboutism tierisch auf die Nerven. Das sollten wir sein lassen.

          • rbn
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            5 months ago

            wenn man eine Maßnahme von so geringem persönlichen Aufwand wie gendergerechte Sprache ablehnt, zumal sie doch im Verhältnis zum Aufwand sehr viel zu bringen scheint?

            Erstmal würde ich von mir selbst gar nicht sagen, dass ich es ablehne. Ist für mich in Ordnung, wenn das jemand für sich entscheidet und tun möchte. Persönlich hat es für mich einfach keine Priorität, u.a. aus den oben genannten Gründen.

            Wie “sehr gering” der persönliche Aufwand bzw. auch die Überwindung ist, halte ich aber für ziemlich subjektiv. Die meisten Menschen sind Veränderungen gegenüber eher skeptisch eingestellt. Erst recht, wenn sie die Veränderung als von außen auferlegt empfinden. Die genauen Zahlen schwanken je nach Umfrage aber von all dem, was ich bisher gelesen habe, steht in Deutschland keine Mehrheit hinter dem Gendern. Die Akzeptanz soll wohl in den letzten Jahren sogar weiter gesunken sein. Für viele ist da also durchaus ein innerer Widerstand.

            Dass keine Mehrheit hinter Gendern steht, ist natürlich erstmal kein Argument dafür, dass es eine schlechte Idee ist. Die Mehrheit kann natürlich auch falsch liegen. Tut sie oft. Ich frage mich aber, ob es dieses Thema wert ist, die Gesellschaft mit äußerem Druck zu einer Veränderung ihrer Gewohnheiten zu drängen oder gar zu zwingen.

            Aus meiner Sicht stehen eine ganze Reihe wichtigerer Themen an, mit denen sich die Menschen in den nächsten Jahrzehnten abfinden müssen. Allein schon all die verschiedenen Folgen des Klimawandels. Stell dich mal auf eine Bühne und fordere, dass Menschen konsequent gendern sollen UND ihr Auto abgeben sollen UND nicht mehr mit dem Flugzeug fliegen UND weniger Fleisch essen sollen, mehr Steuern zahlen UND weniger Rente bekommen UND länger arbeiten müssen usw.

            Du kannst das gerne Whataboutism nennen und du hast auch nicht unrecht damit. Ich denke einfach, dass die meisten Menschen nur ein bestimmtes Maß an Veränderung akzeptieren. Und da gibt’s für mich einfach wichtigere und größere Baustellen als gendergerechte Sprache. Sowohl in Bezug auf Gleichberechtigung der Geschlechter, Diskriminierung allgemein und auch gesamtgesellschaftlich.

            • CyberEgg@discuss.tchncs.de
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              5 months ago

              Wie “sehr gering” der persönliche Aufwand bzw. auch die Überwindung ist, halte ich aber für ziemlich subjektiv.

              Persönlich erfordert es keinen Geldeinsatz, keinen körperlichen Kraftakt und keine große Gewohnheitsumstellung wie der Umstieg von Auto auf ÖPNV oder von Fleischessen auf Veganismus. Ein bisschen Offenheit und der Rest kommt mit der Zeit.

              Erst recht, wenn sie die Veränderung als von außen auferlegt empfinden. Die genauen Zahlen schwanken je nach Umfrage aber von all dem, was ich bisher gelesen habe, steht in Deutschland keine Mehrheit hinter dem Gendern. Die Akzeptanz soll wohl in den letzten Jahren sogar weiter gesunken sein. Für viele ist da also durchaus ein innerer Widerstand.

              Man muss dabei aber auch bedenken, wie groß der Aufwand gegen geschlechtersensible Sprache in den letzten Jahren war, von der klassischen Springerpresse-Hetzkampagne bis hin zu Gesetzen, die sie in Amtsstuben zu verbieten versucht. Da wurde von Rechtspopulisten ordentlich ein Feindbild aufgebaut, bzw. die bestehenden Feindbilder mit Gendersprache zusätzlich ausgebaut. Und dem sollte man sich auch entgegenstellen.

              Ja, auf den ersten Blick mag es wichtigere oder drängendere Themen geben als geschlechtergerechte Sprache. Aber auf den zweiten Blick hängen alle diese Themen miteinander zusammen.
              Ein Beispiel: es gibt inzwischen Studien, die im Ergebnis darauf hindeuten, dass sich von geschlechtergerechte Sprache in Stellenausschreibungen eher auch Frauen angesprochen fühlen und dass Mädchen eher neigen, sich Berufswege zuzutrauen, wenn diese entsprechend präsentiert werden. Was ist, wenn in einem Mädchen/einer jungen Frau eine charismatische Politikerin oder eine fähige Wissenschaftlerin steckt, die einen großen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leistet, aber diese Berufe nie in Erwägung zieht, weil sie zu viel mit dem gegnerischen Maskulinum in Berührung kam?
              Außerdem sind die Mechanismen und die Anstifter, die hinter den schon angesprochenen Kampagnen gegen gendersensible Sprache stecken und die, die hinter Hetzkampagnen gegen die Grünen, gegen antirassistisch Anstrengungen, gegen Antifaschismus, gegen Bemühungen zur Bewältigung des Klimawandels, gegen queere Rechte, usw. stecken, in größten Teilen deckungsgleich.
              Deswegen lohnt es sich, an jeder Stelle gegen diese Demagogen und Populisten vorgehen. Wenn diese Strategien an einer Stelle bröckeln, werden sie auch an anderer Stelle angreifbarer.

              • rbn
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                5 months ago

                Persönlich erfordert es […] keine große Gewohnheitsumstellung wie der Umstieg von Auto auf ÖPNV oder von Fleischessen auf Veganismus.

                Ich bleibe dabei, dass das subjektiv ist. In einfachen Sätzen à la “Wir brauchen mehr Ärzt*innen in ländlichen Regionen” kann ich das Gendern noch ganz gut ab. Bei komplexeren Sätzen mit Pronomen, Reflexivsätzen o.ä. wird es für mich schnell hakelig und stört mein persönliches Sprachempfinden.

                Ich lebe seit ungefähr 7 Jahren vegetarisch und seit 3 komplett vegan. Ich fand den Zwischenschritt Vegetarier ganz gut für den Übergang aber beide Stufen waren für mich kein großer Akt. Ich war noch nie sonderlich wild auf Fleisch und für alle anderen tierischen Produkte gibt es für meinen Geschmack äquivalente Alternativen. Andere leben für ihr Steak vom Grill und gehen dir etwas überspitzt ausgedrückt fast an die Gurgel, wenn du deinen Pilzspieß daneben legen willst.

                Ich fahre noch Auto. Ich hatte 6 Jahre ein Fahrzeug mit Biogas und bin jetzt dieses Jahr auf ein sehr sparsames Elektromodell umgestiegen. Fahre auf der Autobahn nur 100 oder 110. Für mich war das kein Ding. Ich fänd auch Tempo 30 innerorts und 80 überall sonst in Ordnung. Das als Forderung politisch durchzusetzen, würde wahrscheinlich bürgerkriegsähnliche Zustände auslösen.

                Ganz auf’s Auto verzichten zu können fände ich toll, aber das geht ginge mit meinem aktuellen Wohnort und Lebensgewohnheiten nur mit erheblichen Einschränkungen.

                Versuch mal, dir mal eine ganz einfache Forderung aus dem “gegnerischen” Lager vorzustellen. Zum Beispiel könnte eine erstarkte Rechte fordern, dass zur nächsten WM oder zum Tag der Wiedervereinigung jeder in Deutschland eine Flagge zu hissen und sich mit einem schwarz-rot-goldenen Schminkstift die Wangen zu zieren hat. Zur Stärkung des Patriotismus und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Geldeinsatz? Gering. Körperlicher Kraftakt? Wohl kaum. Große Gewohnheitsumstellung? Wohl auch eher nicht. Ist ja schließlich nur für ein paar Tage. Aber heilige Scheiße würde mir so eine Regel gegen den Strich gehen! Wenn dann nicht nur eine, sondern ständig solche Gängelungen aus dem rechten Spektrum kämen, wäre es wahrscheinlich nicht weit hin, bis ich selbst Mistgabeln und Fackeln aus dem Keller holen würde.

                Ich glaube, wir beide sind politisch gar nicht nicht so verschieden eingestellt. Würde mich zumindest auch im “links grün versifften” Sektor einordnen. Da gibt es in Deutschland deutlich stärker abweichende Standpunkte.

                Das Thema “Gleichberechtigung” ist dabei meines Erachtens gar nicht so kontrovers. Selbst unter CDU- oder AfD-Wählern fordern glaube ich die wenigsten, Frauen “zurück an den Herd” zu schicken. Auch bei LGBTQ-Themen haben wir glaube ich zumindest bei vielen den Kompromiss “sollen sie doch lieben, wen sie wollen, solange sie mich in Ruhe lassen” erkämpft. Da ist sicher noch Luft nach oben, da bin ich bei dir.

                Mein Bauchgefühl bei Gendergerechter Sprache ist aber eher, dass nur die Leute mitmachen, die sowieso schon sehr offen sind und auf Diskriminierungsfreiheit bedacht sind. Die wiederum, die sich (aus meiner Sicht) gerne noch bewegen dürften, empfinden jede Form von “Gendergaga” als höchste Form der Provokation. Und dass wir die Leute durch Provokationen einfangen und zum besseren bekehren, halte ich für fraglich.