In BWahlG §4 Absatz 2 steht:
(2) Zwischen den Parteien werden die Sitze im Verhältnis der Zahl der Zweitstimmen, die im Wahlgebiet für die Landeslisten der Partei abgegeben wurden, nach § 5 verteilt (Oberverteilung). Nicht berücksichtigt werden dabei
die Zweitstimmen derjenigen Wähler, die ihre Erststimme für einen Bewerber abgegeben haben, der gemäß § 6 Absatz 2 erfolgreich ist, und [...]
Gemäß §6 Absatz 2 erfolgreich ist:
(2) Ein Bewerber, der nach § 20 Absatz 3 vorgeschlagen ist, ist als Abgeordneter eines Wahlkreises dann gewählt, wenn er die meisten Erststimmen auf sich vereinigt.
Also jemand der einen Wahlkreis gewinnt.
Das bedeutet, dass wenn ich den Gewinner meines Wahlkreises wähle, meine Zweitstimme dann wertlos wird?
Aber im neuen Wahlrecht steht ja auch, dass die Anzahl der Sitze nur noch nach Zweitstimmen entschieden wird. Dann müsste man doch jetzt die Erststimme immer irgendwelchen unbeliebten Kandidaten geben, damit die Zweitstimme noch was wert bleibt?Ich bin verwirrt.
Kann mir einer erklären, warum ich jetzt trotzdem meine Erststimme auf meinen Lieblingskandidaten setzen sollte, auch wenn der möglicherweise meinen Wahlkreis gewinnt, und dann meine Zweitstimme nicht mehr zählt?
Und heißt das nicht auch, dass die Stimmzettel künftig zweimal ausgezählt werden müssen, da man ja erst nach dem ersten Auszählen weiß, welche Stimmen gültig sind?
“Wenn ich es richtig verstehe” - Disclaimer:
Die zweitstimme bestimmt “von welcher Partei” und hat Vorrang. Die Erststimme sagt “Wen” und wird danach betrachtet.
Das ganze natürlich noch mit dem “mal gucken was sie aus dem Verfassungsgerichtsurteil dann wirklich machen” disclaimer am Ende.
Freue mich natürlich auch über Klarstellungen, Ergänzungen und Korrekturen!
Das bedeutet, dass wenn ich den Gewinner meines Wahlkreises wähle, meine Zweitstimme dann wertlos wird?
Wenn ich die Nachrichten von gestern über das NEUE Wahlrecht richtig verstanden habe: Nein, ganz im Gegenteil!
Du musst deinen Kandidaten auch mit der Zweitstimme bestätigen und hoffen, dass das viele andere auch tun, denn wenn seine Partei am Ende zuwenig Prozente hat, kann er immer noch rausfliegen, obwohl er mit Erststimmen schon gewählt ist.
nach § 20 Absatz 3 vorgeschlagen
§20 Absatz 3 behandelt Direktkandidaten, die nicht von einer Partei vorgeschlagen wurden.
(2) Kreiswahlvorschläge von Parteien[…]
(3) Andere Kreiswahlvorschläge[…]
Deren Sitze können logischerweise nicht durch Zweitstimmen gedeckt sein (Zweitstimmen gehen ja nur an Parteilisten). Sie kommen aber trotzdem rein.
Darum werden parteilose Wahlkreissieger in §4 Abs. 1 von der Gesamtzahl der Sitze abgezogen, bevor der Rest nach Verhältnis der Zweitstimmen verteilt wird. Und dabei zieht man dann nach §4 Abs. 2 die Zweitstimmen der Wähler der parteilosen Direktkandidaten ab. Vermutlich, weil die “ihren” Kandidaten schon im Parlament haben, ohne ihn durch Zweitstimme decken zu müssen.
Mir ist nicht bekannt, ob schonmal ein Parteiloser einen Wahlkreis bei einer Bundestagswahl gewonnen hat, aber wenn du Kandidaten von Parteien wählst, musst du jedenfalls nicht fürchten, dass deine Zweitstimme nicht gezählt wird.
Danke für die detaillierte Erklärung!