Ich wünsche mir, dass alle, die sich in Zukunft hier auf feddit zu diesem Konflikt äußern, zuerst diesen Post hier lesen. Ja, er ist lang, aber der Konflikt ist halt nicht schwarz-weiß. Ich habe mir die Mühe gemacht, die Geschichte des Konflikts (ab 1915) aufzuschreiben. Keine Angst: keine Meinung und ich habe Quellen (kein Wikipedia). Ziel ist es, das wir alle in Zukunft auf dem gleichen Stand sind und ich nicht nochmal Kommentare lesen muss, die Ukraine und Israel vergleichen. Gut.

Alles zwischen den Strichen (-…-) wurde nachträglich eingefügt.

Palästina war bis 1917 Teil des Osmanischen Reichs. Dann wurde es bis 1918 britisches Mandatsgebiet, welches 1922 durch den Völkerbund und 1923 durch die Balfour-Erklärung bestätigt. 1 „Was ist die Balfour-Erklärung?“ fragt sich der ein oder andere hier vielleicht. 1917 bestätigte der britische Außenminister Arthur James Earl of Balfour in einem Brief an Lord Rothschild folgendes:

Die Regierung Seiner Majestät betrachtet mit Wohlwollen die Schaffung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina und wird ihr Bestes tun, die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern, wobei, wohlverstanden, nichts geschehen soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nicht-jüdischen Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und den politischen Status der Juden in anderen Ländern in Frage stellen könnte.

Aber halt, warum ist Großbritannien so an der Lösung der Judenfrage interessiert? Nun ja, sie wollten verhindern, das Palästina einer anderen Kolonialmacht zufällt, weswegen ihnen ein starker jüdischer Staat an der ägyptischen Flanke einfiel. Das sei ein wirksamer Schutz gegen Norden und England befand die Juden als am Fähigsten für diese Aufgabe (beste Dolmetscher, geeignetste Vermittler, Brücke zwischen zwei Zivilisationen). Außerdem war die Errichtung einer jüdischen Heimstatt international gerne Gesehen, daher wurde der zionistische Wunsch nach Gründung eines Judenstaats mit dem britischen Bestreben nach dem Mandat über Palästina verbunden. Die Vertreter der Zionisten verpflichteten sich, England bei der Herbeiführung und Errichtung des britischen Mandats in Palästina zu unterstützen, wenn die Krone als Gegenleistung eine jüdische Heimstatt förderte. 1920 bekam die britische Krone das Mandat für Palästina und die Balfour-Erklärung wurde in der Mandatspräambel verankert. 2 Das schlimme hier ist, dass ein britischer Diplomat 1915 bereits ein arabisches Königreich von Palästina bis an den persischen Golf an den Großscherifen von Mekka versprochen hatte. 3 Großbritannien hat also Palästina zeitgleich arabischen Emiren und der zionistischen Bewegung versprochen, wohlwissend das es Krieg geben würde.

Scheiße und schlecht, aber das war 1917 – das ist lange her, was kam danach? Mai 1947 wurde UNSCOP (United Nations Special Committee on Palestine) gegründet, welcher die Teilung Palästinas empfahl. November 1947 beschloss die UN-Generalversammlung eben diese. Die im britischen Mandatsgebiet lebenden Palästinenser, die über 90 Prozent des Landes besaßen, darunter auch die Regionen der unfruchtbaren Negev-Wüste, wurden nicht befragt. Jerusalem sollte unter internationaler Verwaltung stehen. Die 1,3 Millionen Palästinenser bekamen rund 43 Prozent der Gesamtfläche des britischen Mandatsgebietes, die knapp 600.000 Juden gut 56 Prozent des Landes. Die arabischen Staaten lehnten den Plan ab, mit der Begründung die Vereinten Nationen hätten nicht das Recht, über Palästinas Zukunft gegen den Willen und auf Kosten der dort lebenden arabischen Mehrheit zu entscheiden. - Allerdings war wohl der Antisemitismus von Mohammed Amin al-Husseini (Mufti von Jerusalem) in Wirklichkeit maßgebend, da dieser mit dem NS-Regime paktierte 6.- Die jüdische Bevölkerung nahm den Plan an. 1

Einen Tag nach der Teilung begann der Krieg. Mai 1948 kam der Unabhängigkeitskrieg, in welchem Israel rund 40% des Gebietes vom arabisch-palästinensischen Staat eroberte. - Israel erklärte die Unabhängigkeit und wurde darauf hin von Ägyptens, Jordaniens, Syriens, des Libanon und dem Irak angegriffen. - 750.000 Araber wurden vertrieben oder mussten fliehen, - zeitgleich flohen hunderttausende Juden aus den umliegenden Ländern nach Israel. - Israel erlaubte es den arabischen Flüchtlingen nicht zurückzukehren und brachte in den nicht zerstörten Dörfern jüdische Einwanderer unter. Die UN fordert das Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge, die Forderung ist bis heute unerfüllt und ein großer Streitpunkt. Zwischen 1956 und 1973 folgten einige Israelisch-Ägyptische Kriege, die ich aus Umfangsgründen außen vorlasse – wer darüber lesen möchte sollte sich Quelle 1 anschauen.

-1967 wurde nach einem Treffen der acht arabischen Führer die Khartum-Resolution verabschiedet. Sie wurde hauptsächlich für die “three nos” bekannt: keine Anerkennung Israels, keine Verhandlungen mit Israel und kein Frieden mit Israel. 5-

1982 entstand der Libanonkrieg auf Grund der Ermordung eines israelischen Botschafters und Feuerüberfällen der Palästinensische Befreiungsorganisation PLO auf israelische Siedlungen. Auf Druck der USA und der Sowjetunion sollte es zum Waffenstillstand kommen. Am 16. September ermordeten christliche libanesische Phalange-Milizen unter den Augen und offenbar geduldet von israelischen Truppen in den palästinensischen Flüchtlingslagern zwischen 1.000 und 3.000 zurückgebliebene Palästinenser – überwiegend Frauen, Kinder und Greise. Auslöser des Massakers war der Mord an Baschir Gemayel, dem Führer der christlichen Miliz und Präsidenten Libanons. Den Mord lastete man der PLO an. Das Massaker wurde von der UN-Generalversammlung am 16. Dezember 1982 als Genozid gewertet. 1983 beendete ein Friedensvertrag zwischen Libanon und Israel offiziell den Krieg, dem rund 10.000 Menschen zum Opfer gefallen waren. 1

Darauf folgten die Erste und Zweite Intifada. Auslöser der ersten Intifada war der Zusammenstoß eines israelischen Lastwagens mit zwei palästinensischen Taxen am 8. Dezember 1987. Dabei starben vier Palästinenser. Während der Begräbnisse der vier Toten im Gazastreifen kam es zu Massendemonstrationen und Ausschreitungen. Mit Steuerstreiks, dem Boykott israelischer Waren und Demonstrationen wollten die Palästinenser ein Ende der Besatzung erzwingen. Das Werfen von Steinen gegen Soldaten und Panzer, der „Krieg der Steine“, wurde zu einem Ritual. 1993 führte das Oslo-Abkommen zu einem Ende der ersten Intifada. Die zweite Intifada begann September 2000 mit dem Besuch des israelischen Oppositionsführers auf dem Tempelberg. Ziel war es, ein politisches Zeichen gegen die Teilung Jerusalems zu setzen. Am Tag danach kam es zu Protesten, die Polizei erschoss vier Palästinenser, 200 Menschen wurden verletzt und der Konflikt weitete sich wieder auf ganz Israel und dem Gebiet der PLO aus. Statt Massenproteste und Co wie bei der ersten Intifada setzten radikale Palästinenser auf Terroranschläge in Israel. Diese reagierten mit dem Bau eines 700 Kilometer langen Sperrwalls.

Durch die weltweiten politischen Entwicklungen in den 1990er Jahren kam eine entscheidende Wende im Nahostkonflikt. Israel überwand seine ablehnende Haltung gegenüber Verhandlungen mit den Palästinensern und seine arabischen Nachbarn waren bereit, den jüdischen Staat durch die Aufnahme direkter Gespräche anzuerkennen. Israelisch-palästinensische Geheimverhandlungen brachten dann den Durchbruch und führten am 13. September 1993 in Washington zur Unterzeichnung der Osloer Prinzipienerklärung, genannt Oslo I. Diese Erklärung sollte die Grundlage für die Einrichtung einer palästinensischen Selbstverwaltung sowie Endstatusverhandlungen darstellen. Daraufhin wurde die Palästinensische Autonomiebehörde eingerichtet, deren Befugnisse 1994 im Kairoer Abkommen ausgestaltet wurden. Über das Oslo-II-Abkommen vom 24. September 1995 begann im Jahre 1996 die Errichtung einer palästinensischen politischen Struktur. Die Selbstverwaltung der Palästinenser wurde ausgeweitet. Das Dokument teilt das Westjordanland in drei Zonen auf. Die Zone A – sie umfasst die großen Städte mit Ausnahme Hebrons – wird vollständig von den Palästinensern kontrolliert. Die Zone B steht unter gemeinsamer Regie. Die Zone C – jüdische Siedlungen und unbewohntes Gebiet mit Militärstützpunkten – steht unter dem Kommando Israels. Das Ziel von Oslo II: mehr Autonomie für die Palästinenser, mehr Sicherheit für die Israelis. Doch Terroranschläge, Siedlungsbau und Intifada machten die guten Vorsätze zunichte. Die im Juli 2000 in Camp David unter Vermittlung des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton geführten Verhandlungen mit PLO-Chef Jassir Arafat und dem israelischen Premierminister Ehud Barak scheiterten. Im Herbst 2000 brach das in Oslo vereinbarte Konfliktmanagement zusammen. Palästinensische Terroranschläge in Israel machten die Friedensbemühungen zunichte (zweite Intifada). 1

Ich denke die restliche Entwicklung ist den meisten noch gut genug im Gedächtnis, daher schreibe ich nur eine kleine Erinnerungsstütze der größten Ereignisse. Wer ausführlich lesen möchte, nutzt bitte Quelle 4.

2002: USA, EU, UNO und Russland fordern mit der Erklärung von Madrid Israel zum sofortigen Rückzug aus Palästinensergebieten auf und die Palästinenser sollen die Terroranschläge gegen Israel unterbinden.

2004: Anhörung zur Sperranlage Israels in den besetzten Gebieten vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Ungeachtet schärfster palästinensischer und internationaler Proteste hatte Israel ein knappes Drittel seiner umstrittenen Sperranlage im Westjordanland bereits gebaut. Gut 200 Kilometer lang ist die Befestigung. Sie besteht zum größten Teil aus einem elektronisch gesicherten, hohen Zaun mit einem tiefen Graben. Nach UN-Angaben werden mehr als 274.000 Palästinenser nach Abschluss des Baus in kleinen Enklaven eingeschlossen sein. Hunderttausende weiteren Palästinensern werden durch die Anlage auf dem Weg zu Arbeitsplätzen, Feldern, Krankenhäusern und Schulen behindert. Israel hat mit dem Bau der Grenzmauer in den palästinensischen Gebieten gegen Völkerrecht verstoßen. Zu diesem Ergebnis kommt der Internationale Gerichtshof in Den Haag im Juli 2004 in einem Gutachten um das er von der UN-Vollversammlung gebeten worden war.

2005: Am 12. September 2005 hatte Israel nach 38 Jahren die Besetzung des Gazastreifens vereinbarungsgemäß beendet. Mit einem Großaufgebot an Polizei und Soldaten hatte Israel die 21 Siedlungen in Gaza geräumt.

2006: Hamas wird gewählt, Israel verkündet nicht mit einer Terrororganisation zu verhandeln

2007: Bürgerkrieg im Gazastreifen zwischen Hamas und Fatah. Fatah wird vorgeworfen, lediglich Marionette von USA und Israel zu sein (dazu die Korruption). Am Ende wird sich jedoch auf die Bildung einer Regierung geeinigt.

2010: Israelische Militäraktion gegen einen Schiffkonvoi mit Hilfslieferungen für den Gazastreifen in internationalen Gewässern.

2017: In seiner allumfassenden Weisheit „löste“ Trump die Jerusalemfrage und diskreditierte somit die USA als ernstzunehmenden Vermittler im Konflikt.

2020: Israel und Trump arbeiten einen Plan zur Lösung des Konfliktes aus, Palästina wurde nicht miteinbezogen. 4

Zusammenfassung: Angefangen hat der ganze Konflikt wegen britischen Kolonisationsplänen. Die UN beschloss die Teilung des Landes, Palästinenser wurden nicht gefragt und haben den schlechteren Teil des Deals bekommen (deutlich weniger Land für deutlich mehr Menschen). Israel eroberte in den Anfängen zusätzlich Palästinagebiet, bis heute gibt es kein Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge. Es folgten Racheaktion auf Racheaktion, eine schlimmer als die andere. Viele Friedensverhandlungen scheiterten, heute sind die Fronten äußerst verhärtet. Ganz zum Schluss noch eine Grafik über die Opferzahlen bis 2020:

  • dumdum666@kbin.social
    link
    fedilink
    arrow-up
    1
    arrow-down
    1
    ·
    1 year ago

    Insbesondere dass Arafat in 2000 erneut die Schaffung eines palästinensischen Staates abgelehnt hat und sich explizit für den Terror entschieden hatte, zeigt aus meiner Sicht sehr gut dass die Anführer der Palästinenser eine große Mitschuld daran haben, dass Gaza heute so aussieht. Wenn ständig Selbstmordattentäter aus Gaza die Grenze überqueren und Zivilisten töten, dann ist es eine logische Konsequenz dass die Grenze zwischen Israel und Gaza so militarisiert wurde.